Joachim Jahns: „Mein lieber Kamerad Heydrich“. Anmerkungen zu Reinhard Heydrich
288 Seiten, Deutsch, mit zahlreichen Dokumenten und 10 Fotos, gebunden mit Schutzumschlag, EUR 34,99
DER KLAPPENTEXT:
Der Autor Joachim Clemens Fest, von 1973 bis 1993 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sah in Reinhard Heydrich den „Nachfolger“ von Adolf Hitler, obwohl der Führer, der sich im Führerbunker in Berlin selbst die Kugel gab, den SS-Mann Heydrich knappe drei Jahre überlebte.
Auf dem Berliner Staatsbegräbnis am 9. Juni 1942 sprach Adolf Hitler den im Sarg liegenden Reinhard Heydrich mit den Worten „Mein lieber Kamerad Heydrich“ an, um ihm postum die oberste Stufe des Deutschen Ordens zu verleihen. Für Hitler war Reinhard Heydrich „einer der besten Nationalsozialisten, einer der stärksten Verteidiger des deutschen Reichsgedankens, einer der größten Gegner aller Feinde dieses Reiches“.
Der deutsche Schriftsteller Thomas Mann nannte in seiner Rede „Nachruf auf einen Henker“, die von Amerika aus von der deutschen Sendung des Londoner Rundfunks im Juni 1942 übertragen wurde, Reinhard Heydrich einen „Bluthund“ und „Mordknecht“, bei dem „das Blut in Strömen“ floss.
Reinhard Heydrich war als Chef des Reichssicherheitshauptamtes und stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren einer der führenden Nationalsozialisten, der entscheidend an der Planung und Organisierung des Holocaust beteiligt war.
Der Autor Joachim Jahns hat wichtige Aktenbestände des Bundesarchivs und alle zugänglichen Akten der Staatssicherheit der DDR, die die Biografie Reinhard Heydrichs betreffen, gesichtet und analysiert.
So wertete er u. a. die Fundgeschichte von historischen Dokumenten über das Attentat auf Reinhard Heydrich aus, die 1972 in das NS-Archiv der Staatssicherheit gelangten, und hinterfragte, warum in Heydrichs Sterbeurkunde falsche Eintragungen vorgenommen wurden.
Joachim Jahns ist Autor der Bücher „Der Warschauer Ghettokönig“, „Erwin Strittmatter und die SS, Günter Grass und die Waffen-SS“, „Die Kirschs oder Die Sicht der Dinge“ sowie der biografischen Nachträge „Erwin Strittmatter und der böse Krieg“.
Er ist Herausgeber von wichtigen Büchern von Louise von François, Anneliese Probst, Christa Gießler, Sahra Wagenknecht, Juliane Jahns, Gerhard Zwerenz, Rudolf Scholz, Reinhard Stöckel, Gerhard Branstner, Peter Biele, Erik Neutsch, Willi Sitte, Reinhold Andert, Hermann Größler, Günter Behm-Blancke, Thomas Zunkel und Kurt Zeising.
DIE TITELSEITE:
DER SCHUTZUMSCHLAG:
DER BUCHEINBAND:
DAS INHALTSVERZEICHNIS:
Heydrichs Sterbeurkunde
Der „Schlußbericht“ der Sonderkommission Attentat H.
Canaris und Heydrich
Dr. Dr. Gerhard Stabenow, Heydrichs Sportkamerad aus Halle
Dr. Ludwig Hahn
Als Reinhard Heydrichs Vater starb
Reinhard Heydrich als „Melder“
„Gefallen für Deutschland“?
Reinhard Heydrich und Thomas Mann
Nachtrag
Quellenverzeichnis
Personenregister
DIE LESEPROBE:
HEYDRICHS STERBEURKUNDE
Der Autor Joachim Clemens Fest, von 1973 bis 1993 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, sah in Reinhard Heydrich den „Nachfolger“ von Adolf Hitler, obwohl der Führer, der sich im Führerbunker in Berlin selbst die Kugel gab, den SS-Mann Heydrich knappe drei Jahre überlebte.
Dieses absurde Gedankenspiel wird u. a. mit dem Vergleich unterfüttert, Heydrich sei „ein Mensch wie ein Peitschenknall“1 gewesen. Andere Autoren charakterisierten ihn als „einzige Supernova“ im „Universum Hitlers“2, „blonde Bestie“ oder „Das Gesicht des Bösen“3.
Reinhard Heydrich war mit Sicherheit kein Mensch wie ein Peitschenknall und auch keine Supernova. Die philosophischen Deutungsversuche von der blonden Bestie (nach Friedrich Nietzsche) und dem Gesicht des Bösen (frei nach Hannah Arendts „Banalität des Bösen“) ersetzen nicht die historische Forschung, die sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder der Biografie Reinhard Heydrichs angenommen hat.
Als Sohn eines Opernsängers und Komponisten in Halle an der Saale geboren, war Heydrich von Haus aus ein Künstler, ein virtuoser Geigenspieler, der auch das Cello und Klavier meisterlich zu spielen verstand. Diese künstlerische Veranlagung prägte zweifelsohne sein weiteres Leben, sie hatte sich aber mit einer anderen, offenbar weitaus stärkeren Neigung auseinanderzusetzen: Heydrichs Bestreben, sein Leben anknüpfend an militärische Verhaltensmuster straff und erfolgsorientiert zu planen und zu gestalten.
So kam es auch, dass Heydrich aus eigener Entschlusskraft mit nur 18 Jahren entschied, sein Elternhaus sowie seine Heimatstadt für zehn Jahre zu verlassen. Sein Ziel war es, sich freiwillig beim Militär zu bewerben, obwohl die Anziehungskraft dieser Elite nach der deutschen Niederlage im ersten Weltkrieg und den Versailler Beschlüssen stark nachgelassen hatte. Den jungen Heydrich zog es trotzdem zum Kommiss, in dem die Rekruten gnadenlos geschliffen und gedrillt wurden, bis sie widerstandslos auf Befehl funktionierten, was im Ernstfall bedeutete, ohne Widerspruch töten zu müssen. Damit stellte er sich bewusst gegen die Pläne der Familie, der eine musikalische Laufbahn des Jungen vorschwebte, die später in die Übernahme des vom Vater in Halle aufgebauten Konservatoriums münden sollte.
Reinhard Heydrich entschied sich also, nachdem er 1922 erfolgreich das Abitur abgelegt hatte, Offizier der damaligen Reichsmarine zu werden. Er war bereit, auf diesem Weg eine äußerst harte Matrosen- und Seekadettenzeit, in der das schöne Wort Kameradschaft zum Code für einen brutalen Konkurrenzkampf wird, durchzustehen.
Das bedeutete auf Gedeih und Verderb zu lernen, nicht nur den militärischen Drill zu ertragen, sondern sich auch rücksichtslos mit allen Mitteln durchzusetzen, um nicht unterzugehen. Und dementsprechend musste er natürlich nach seiner Beförderung zum Offizier bereit sein, dieses gnadenlose militärische System am Laufen zu halten.
1926 hatte er diese Stufe erklommen. Er stieg zum Leutnant zur See auf und 1928 zum Oberleutnant zur See.
Ohne diese militärische Schule hätte er nach der Machtergreifung Adolf Hitlers, der seine Macht hauptsächlich auf Massen und nicht auf Eliten stützte und einen „totalitären Befehlsstaat“4 anführte, niemals die Fähigkeit entwickeln können, nach und nach neben Heinrich Himmler zur einflussreichsten Führungsfigur der Schutzstaffel des Führers in Deutschland und später in den von Deutschland besetzten europäischen Ländern aufzusteigen.
Als Geheimdienstchef und nationalsozialistischer Politiker war er federführend an den beispiellosen Verbrechen der Herrschafts- und Funktionsträger des sogenannten Dritten Reichs beteiligt.
Reinhard Heydrich war wie der 15 Jahre ältere Adolf Hitler eine Künstlernatur. Im Unterschied zu Hitler frönte Heydrich dem Leistungssport. Er betrieb die Disziplinen des modernen Fünfkampfs, widmete sich dem Segelsport und nahm als Fechter an Wettkämpfen teil. Außerdem betätigte er sich auch als Langstreckenläufer, der seine Ausdauer trainierte, um über längere Distanzen hinweg sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, die Konkurrenz zu schlagen und siegreich zu sein. Er absolvierte mehrere militärische Spezialausbildungen und lernte fremde Sprachen. Er konnte sich auf Englisch und Russisch unterhalten und war auch im Französischen und Spanischen einigermaßen bewandert.
Als Politiker, als stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, nahm er zusätzliche Herausforderungen auf sich, die er zuvor als Geheimdienstchef vermieden hatte. Er versuchte sich in der Kunst, öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten, frei zu sprechen und legte Wert darauf, seine Reden selbst zu schreiben.
Aber all seine zahlreichen Talente und Eigenschaften sowie seine Macht als skrupelloser Geheimdienstchef und stellvertretender Protektor von Böhmen und Mähren nützten ihm nichts. Am 27. Mai 1942 stellten sich ihm ein tschechischer und ein slowakischer Widerstandskämpfer in den Weg, um ihn zu töten. Als Heydrich, der ein versierter Pistolenschütze war, auf sie schießen wollte, löste sich kein einziger Schuss aus seiner Pistole. Er hatte sie nicht durchgeladen.
Reinhard Heydrichs Sterbeurkunde5, die ich im Berliner Bundesarchiv einsehen konnte, trägt die Nr. 348/1942. Sie wurde vom Standesamt in Prag am 20. Juni 1942 ausgestellt. „Der deutsche Standesbeamte in Prag“ bestätigt in diesem Dokument mit Siegel und Unterschrift:
„Der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, SS-Obergruppenführer und General der Polizei, stellvertretender Reichsprotektor Reinhard Tristan Eugen H e y d r i c h, gottgläubig, wohnhaft in P r a g – Burg, ist am 4. Juni 1942 um 9.– Uhr in P r a g VIII – Bulowka verstorben.“
Außerdem vermerkt er: „Der Verstorbene war geboren am 7. März 1904 in Halle an der Saale (Standesamt Halle, Nr. 669/1904).“
Als Vater benennt er „Richard Bruno H e y d r i c h, Direktor des Konservatoriums, verstorben in Halle“ und als Mutter „Elisabeth Marie Anna Amalie H e y d r i c h, geborene Krantz, wohnhaft in Halle an der Saale“.
Im Weiteren hält der Standesbeamte schriftlich fest: „Der Verstorbene war verheiratet mit Lina Mathilde Heydrich, geborene von Osten, wohnhaft in P r a g – Burg, derzeit Schloß Jungfern-Breschan bei Prag.“
Unter dem Siegel mit Adler und Hakenkreuz und der nicht entzifferbaren Unterschrift ist die Todesursache zu lesen. Sie lautet: „Schußverletzung/ Mordanschlag/ Wundinfektion.“
Warum in die Sterbeurkunde nicht der genaue Zeitpunkt des Todes eingetragen wurde, der sich am 4. Juni 1942 nicht um 9.00 Uhr, sondern bereits um 4.30 Uhr ereignet hatte, ist nicht bekannt.
Bekannt ist …
1 Vgl. Joachim C. Fest, Reinhard Heydrich Der Nachfolger, in: Das Gesicht des dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft, München u. a., 1988, S. 139
2 Vgl. Charles Sydnor, Reinhard Heydrich – Der „ideale Nationalsozialist“, in: Ronald Smelser, Enrico Syring (Hrsg.), Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe, Paderborn 2000, S. 208
3 Vgl., Mario R. Dederichs, Heydrich. Das Gesicht des Bösen, München 2005
4 Vgl. Sebastian Haffner, Anmerkungen zu Hitler, Frankfurt a. Main 2002, S. 70 f.
5 BArch R 58 A-Nr. 9318
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